Mittwoch, 18. März 2020

EXTREME CINEMA: Dream Home



 (OT: Wai Dor Lei Ah Yut Ho / Hongkong - 2010)

Die kleine Bankangestellte Cheng Li wünscht sich, seit ihre Familie während ihrer Kindheit aus dem Hafenviertel vertrieben wurde, Nichts sehnlichster, als eine Eigentumswohnung mit Hafenblick.
Dafür ist sie nicht nur bereit größte Entbehrungen über sich ergehen zu lassen, sondern schreckt selbst vor Mord nicht zurück
Als die Traumwohnung, wegen der ständig steigenden Immobilienpreise, trotzdem unerreichbar scheint, schmiedet Chenl Li schließlich einen perfiden Plan: Sie dringt eines Abends in den Apartmentkomplex ein, tötet den Wachmann und beginnt die Nachbarschaft auf möglichst grausige Weise abzuschlachten. Mit dem Ziel, dadurch die Grundstückspreise im Haus zu senken. 


“CAT III”, auch als “Category 3” bekannt, ist die höchstmöglich Freigabe für Filme in Hong Kong und seit Anfang der 90er für westliche Zuschauer ein echtes Gütesiegel, wenn es um harte Unterhaltung geht.


Hintergrund dessen ist, dass damals die Übergabe der ehemals britischen Kronkolonie an China bevor stand und in der Hongkonger Filmindustrie deshalb Endzeitstimmung herrschte, weshalb viele Filmemacher auf alle möglichen Konventionen pfiffen und mit extremen Streifen, wie “The Untold Story”, “Ebola Syndrome”, “Run and Kill”, oder “Sex and Zen” ordentlich auf die Kacke hauten und ausschweifende Sex- und Gewaltexzesse (nicht selten in Verbindung mit Tabu-Brüchen) auf die Leinwand kotzten.
Der Grund dafür, dass  -, ungeachtet der Tatsache, dass viele der angesprochenen Kracher selbst für das “CAT III”-Rating zensiert werden mussten und in Honk Kong auch für westliche Verhältnisse harmlose Filme wie etwa “Sex and the City – Der Film” gelegentlich die höchste Freigabe erhalten,- “Category 3” nun mal bei fachkundigen Gorehounds mit deftigster Filmkost assoziiert wird und natürlich gründlich aufgehorcht wurde, als der hier besprochene “Dream Home” nicht nur dieses Rating erhielt, sondern selbst dafür Zensuren hinnehmen musste.
Und das zurecht. Denn auch wenn der von Pang Ho-Cheung (“Exodus”, “Vulgaria” u.v.m.) inszenierte Mix aus Psychodrama und Slasher optisch deutlich eleganter daher kommt, sich tatsächlich ernsthaft um Charakterzeichnung bemüht und einen ebenso kritischen, wie beißend bösen Kommentar zum hong-konger Immobilienmarkt abgeben möchte; wenn aber Antiheldin Cheng Li die Nachbarschaft ihrer Traumwohnung meuchelt, geschieht das in der garstigen Tradition der berüchtigten Hong-Kong-Nasties.
Dabei läuft das Geschehen auf zwei, bzw drei, sich ständig abwechselnden Zeitebenen ab. Während die Morde in der Gegenwart stattfinden, beleuchten drama-lastige Rückblenden die tragische Vorgeschichte der Hauptfigur. 



Hier herrscht dann auch ein gewisses tonales Ungleichgewicht zwischen den zwei Erzählebenen. Denn, während die Rückblenden tatsächlich als bodenständiges, trauriges Sozial- und Außenseiterdrama zu überzeugen wissen, schießen die gewalttätigen Gegenwartsszenen in ihrer Härte, Explizität, Zynismus und Einfallsreichtum dermaßen über das Ziel hinaus, dass sie schnell an Ernsthaftigkeit verlieren und nur noch als reiner Selbstzweck durchgehen.
Spätestens nach dem größten Tabubruch des Films (gehört ja zu jedem ordentlichen CAT3-Streifen dazu) -, dem äußerst brutalen Mord an einer Schwangeren mit einem Vakuumbeutel,- wenn eine Kifferbude aufgemischt wird, fließt sowieso eine dicke Portion (tiefst)schwarzer Humor in das bis dahin bierernste Gemetzel bei dem der anspruchsvolle Gorebauer voll und ganz auf seine Kosten kommt und, von ein paar wenigen CGI-Effekten abgesehen, mit schön matschiger Handarbeit (Blut, Eingeweide, Gliedmaßen… von allem gibt es Etwas) verwöhnt wird; die auch gut über die Laufzeit des Films verteilt wurde.



Daher schadet das tonale Ungleichgewicht “Dream Home”, der sowieso auf eine dicke Schlusspointe hinausläuft, auch nicht großartig.
Problematischer ist, dass der Film dem Zuschauer, von seiner ohnehin eher unsympathischen Hauptfigur abgesehen, keine Identifikationsfiguren bietet, da die willkürlich ausgesuchten Opfer ohne jeden Background daherkommen. So gibt es dann auch Niemanden um den es sich großartig mitzufiebern lohnt, weshalb der Spannungsgehalt relativ niedrig ist.
Dass der zudem auch vergleichsweise unaufgeregt inszenierte Film trotzdem nur wenige echte Längen hat und unterhalten kann, ist dem guten, verschachtelten Aufbau von “Dream Home” zu verdanken, der den Voyeurismus seiner Zuschauer befeuert.
Man ist einfach gespannt darauf zu sehen wie es weiter geht. Nicht zuletzt wegen der überzeugenden Darstellung der großartigen Josie Ho (“Contagion”, “The Twins Effect” u.v.m. und Co-Produzentin des Films), die ihre vom Schicksal gebeutelte Antiheldin zwar auch nicht liebenswürdiger, dafür aber immerhin bemitleidenswert machen konnte.     


ZUSAMMENGEFASST: “Dream Home” ist ein edel inszenierter, gut gespielter, blutrünstiger und knallharter Genremix, der jedoch nicht ganz weiß was er nun wirklich sein will. Anspruchsvolles Drama, tiefschwarze Horror-Satire, oder doch einfach nur ein derber Slasher?
Zwar funktioniert der Streifen trotzdem und kann über die meiste Spielzeit unterhalten, ein etwas deutlicherer Focus auf ein Genre hätte ihm aber wirklich gutgetan.

FREIGABE/ZENSURHINTERGRÜNDE:
Da der Film schon in Hong Kong für die höchstmögliche Freigabe (CAT III) zensiert werden musste, war in Deutschland eine ungeschnittenen Fassung eine ohnehin aussichtslose Angelegenheit.
Und so musste der Film dann auch für die höchstmögliche Freigabe der FSK deutlich entschärft werden, wobei es in Deutschland auch nur bei eben dieser stark geschnittenen FSK:ab18-Fassung blieb. Ob die Spio/JK ungeschnitten eine Freigabe erteilt hätte ist in Anbetracht der teils wirklich krassen Gewaltszenen ohnehin anzuzweifeln.
Es erfolgte aber eine gänzlich unzensierte und ungeprüfte Auswertung über Österreich und die Schweiz. 

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